Metzler-Chef Wiesheu sieht erste Früchte der neuen Strategie
Im Interview mit Jan Mallien von DER PLATOW Brief erklärt Gerhard Wiesheu, warum er auf das Pensionsmanagement setzt und dort viel Potenzial sieht. Die Einstiegshürden seien „höher als die chinesische Mauer.“
Herr Wiesheu, Sie haben mit Metzler 2024 das 350. Jubiläum gefeiert. Wenn man auf Kennzahlen schaut, wie den Provisionsüberschuss, oder die Cost-Income-Ratio, haben sich Konkurrenten wie HAL zuletzt stärker entwickelt. Macht Ihnen das Sorgen?
Nein, das sind nicht die alleinigen Größen, nach denen wir das Haus steuern. Wir wollen unsere langfristige Substanz stärken. Dafür brauchen wir stille Reserven und müssen in die Zukunft investieren. Eine Größe wie die Cost-Income-Ratio ist wichtig, aber die können sie jederzeit beeinflussen, indem sie zum Beispiel Investitionen zurückfahren. Wir denken sehr langfristig und investieren ganz gezielt in unsere Stärken wie etwa Private Banking oder betriebliche Altersvorsorge.
Dennoch: Viele Kennzahlen sind nicht nur mit Blick auf die Konkurrenz eher schwach, auch wenn man sie mit ihren Ergebnissen aus früheren Jahren vergleicht.
Ich kann noch nicht viel zu den Zahlen für 2024 sagen, aber es war ein gutes Jahr. Sie werden an der Erlösentwicklung sehen, dass wir uns schön entwickelt haben.
Also deutlich besser als 2023?
Sagen wir so: Wir haben vor knapp eineinhalb Jahren die neue Strategie verabschiedet. Man sieht ganz klar, dass diese Strategie greift und wir bereits die ersten Früchte ernten.
Wo haben Sie denn investiert?
Wir investieren im Rahmen unserer Strategie in alle vier Geschäftsfelder. Im Private Banking zum Beispiel eröffnen wir einen neuen Standort in Berlin. Das Team ist schon da und arbeitet, die offizielle Eröffnung ist im Mai. Im Asset Management haben wir die Nürnberger Pensionsfonds AG übernommen und dadurch unser Geschäft mit der betrieblichen Altersvorsorge substanziell gestärkt. In den Bereichen Capital Markets und Corporate Finance stellen wir unsere Unternehmerkunden in den Mittelpunkt. Dort sehen wir einen steigenden Bedarf an Eigen- und Fremdkapital sowie an Beratung – das macht sich bereits an ersten Transaktionen in diesem Jahr positiv bemerkbar.
Berlin gilt als schwieriger Markt.
Wir wollen mit unseren Standorten dort sein, wo unsere Kunden sind – und, wo wir Wachstumspotenzial sehen. In Berlin haben wir bereits viele Kunden, die wir in Zukunft vor Ort in der Hauptstadt betreuen werden. Was wir auch sehen, ist, dass der Bedarf an Vermögensverwaltung etwa für Gründer von Start-ups oder jungen Unternehmern steigt.
Eine 350 Jahre alte Bank und Start-ups – passt das zusammen?
Absolut. Eine eigenständige Vermögensverwaltung bleibt wichtig, auch wenn Handelsplattformen bei jungen Kunden beliebt sind. Die Verwaltung des eigenen Vermögens ist zeitaufwendig. Viele Unternehmer schätzen es, Vermögen vertrauensvoll verwalten zu lassen, um sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Es gibt durchaus auch Leute, die sagen: Aktien sind interessant, aber es strengt wahnsinnig an und es ist sehr anspruchsvoll, sich damit zu befassen. An all diesen Punkten kommen wir ins Spiel.
Stichwort Strategie: Viele haben sich zuletzt gefragt, welche Richtung sie mit dem Asset Management einschlagen. Die neue Strategie sieht einen Fokus auf Pensionsmanagement vor. Wie unterscheidet es sich von ihren anderen Aktivitäten?
Wir unterscheiden zwischen Mandatsgeschäft und Pension Management. Im Mandatsgeschäft verwalten wir Gelder von institutionellen Investoren, beispielsweise Versicherern und Vorsorgeeinrichtungen. Ein Beispiel: Ein Versorgungswerk legt für sein Vermögen eine bestimmte Verteilung auf verschiedene Assetklassen fest, anschließend werden Mandate an Asset Manager erteilt. Das machen wir auch weiterhin.
Und im Pensionsmanagement…
… bieten wir eine Komplettlösung an. Ein Unternehmen, das seinen Mitarbeitern eine attraktive betriebliche Altersvorsorge bieten oder Pensionsrückstellungen aus der Bilanz auslagern möchte, bekommt von uns umfassende Beratung und Lösungen. Ich erwarte, dass daraus in Zukunft substanzielle Erlöse im Asset Management generiert werden.

Woher nehmen sie diesen Optimismus für das Pensionsmanagement?
Wir brauchen in Deutschland den Kapitalmarkt, um in Zukunft auskömmliche Rentenniveaus darzustellen. Das ist auch die Zielrichtung der Politik, da die umlagefinanzierte gesetzliche Rente aller Voraussicht nach nicht ausreichen wird. Als ich 2001 zu Metzler gekommen bin, haben wir im Asset Management angefangen, den Bereich aufzubauen. Meine Erwartung war, dass wir eine ähnliche Entwicklung sehen werden, wie in den USA nach der Einführung der 401(k)-Pläne…
…einer betrieblichen Altersvorsorge ohne Garantie. Sie wurde in den USA ab Anfang der 1980er Jahre auf breiter Basis eingeführt.
Je länger die Anlagedauer, desto geringer ist das Ausfallrisiko. Gerade deshalb sind Garantien bei langen Anlagehorizonten in der Altersvorsorge meist gar nicht notwendig. Aktien sind als Anlageklasse prädestiniert für die Altersvorsorge, da sie auf lange Sicht höhere Erträge bieten. Mit diesem Konzept sind die Asset Manager in den USA durch die 401(k)-Pläne groß geworden, weil das stabile Vermögenswerte sind, die jeden Monat zufließen und mit denen der Asset Manager langfristig arbeiten kann. Auf dieser Basis können Sie dann investieren und wachsen. Am Anfang ist das Geschäft klitzeklein, es wächst langsam, aber stetig.
Klingt nach einem mühsamen Einstieg.
Es war eine gute Entwicklung. Zuerst haben wenige Unternehmen mitgemacht, dann sind es schrittweise mehr geworden und gleichzeitig haben immer mehr Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen von unseren betrieblichen Altersvorsorgemodellen Gebrauch gemacht. Erst haben wir die Trusts dafür genutzt, um Pensionsgelder insolvenzsicher zu machen, dann haben wir den Pensionsfonds gegründet für das Outsourcing von Pensionsrückstellungen von Unternehmen, anschließend den beitragsorientierten Sozialpartnerfonds. All das haben wir über 20 Jahre aufgebaut.
Ist das Geschäft profitabel?
Schon länger, aber natürlich waren jahrelange Investitionen notwendig. Das ist der lange Atem, den wir als Bankhaus im ununterbrochenen Familienbesitz haben.
Auch viele Versicherer setzen auf das Geschäft mit der Altersvorsorge. Wie wollen Sie mit Großkonzernen wie der Allianz mithalten?
Die Versicherer sind auch aktiv, aber mit einem anderen Geschäftsmodell. Sie arbeiten mit Garantieprodukten. Wir fokussieren uns hingegen auf den Kapitalmarkt.
Was sehen Sie als Alleinstellungsmerkmal von Metzler?
Erstens die absolute Unabhängigkeit. Das schreiben wahrscheinlich viele in ihre Marketingbroschüre, aber wir leben es – und zwar seit 350 Jahren. Wir haben nur drei Familienaktionäre. Zweitens das Unternehmertum. Wir sind Unternehmer und unsere Kunden sind Unternehmer. Dadurch haben wir große Gemeinsamkeiten. Drittens ist unsere Kapitalmarktkompetenz einzigartig.
Wo liegt der Unterschied zu den Versicherern?
Die Versicherung gibt eine Mindestgarantie ab. Diese Garantie kostet am Ende Geld, da die Versicherung nicht hinreichend genug in Aktien investieren kann. Wir strukturieren das Vermögen der Kunden nach Rendite-Risiko-Kriterien, die auf die Verbindlichkeiten abgestimmt sind. Sozusagen sind die Arbeitnehmer in der betrieblichen Altersversorgung am Kapitalmarkt zu institutionellen Konditionen unterwegs, weil ihr Arbeitgeber, also das Unternehmen, der Vertragspartner ist. Das steigert die Renditen.
Auch hier gibt es doch Konkurrenz.
Es gibt einige Banken, die es probiert haben – viele sind aber wieder rausgegangen. Die Markteintrittshürden bei dem Geschäft sind höher als die chinesische Mauer.
Warum sind die Hürden so groß?
Man braucht Durchhaltevermögen und spezielle Expertise. Das ist ein streng regulierter Bereich, der von der BaFin beaufsichtigt wird. Es muss viel aufgebaut werden: Sie benötigen Experten und müssen eine IT-Infrastruktur errichten. Man braucht auch die notwendigen Vehikel wie zum Beispiel Trusts und Pensionsfonds. Wir haben das Thema frühzeitig als strategisch wichtig erkannt und langfristig im Sinne unserer Kunden investiert. Schnelle Gewinne sind nicht das, wofür wir stehen.
Sie haben 2024 den Pensionsfonds der Nürnberger Versicherung gekauft. Wie stehen Sie zu Übernahmen?
Wir schauen uns alles an, was an uns herangetragen wird, auch größere Möglichkeiten. Aber wir wollen nie die Kuh kaufen, wenn wir nur die Milch möchten. Wir können uns vorstellen, selektiv zuzukaufen, wenn es am Markt etwas Interessantes gibt.
Das Interview erschien in DER PLATOW Brief.