Staatsfinanzen in Großbritannien und Frankreich – Zeit für Disziplin, nicht für Panik
The article is not available in the chosen language und will therefore be displayed in the default language.
Staatsschulden sind zurück auf der Agenda der Märkte – und diesmal wird es spannend. Großbritannien und Frankreich gehören nicht zu den Problemfällen à la Griechenland, aber sie bewegen sich auf einem Pfad, der langfristig riskant werden kann. Ein Blick auf das Verhältnis von Schulden zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist zwar geläufig, greift aber zu kurz. Die Schuldentragfähigkeit bemisst sich nicht daran, wie viel Wertschöpfung eine Volkswirtschaft insgesamt erzielt, sondern daran, wie hoch die Staatseinnahmen sind, aus denen Zins und Tilgung bedient werden müssen. Das Verhältnis von Schulden zu Staatseinnahmen bietet daher ein genaueres Bild der Risiken. Dieses Verhältnis liegt in diesem Jahr voraussichtlich bei rund 260 Prozent in Großbritannien und 280 Prozent in Frankreich. Ray Dalio hat in seiner lesenswerten Analyse „Big Debt Crises“ gezeigt, dass eine Staatsverschuldung in Relation der Staatseinnahmen von mehr als 350 Prozent historisch häufig der Schwellenwert war, ab dem Staaten in den kritischen Teil eines Schuldenzyklus eintraten, gekennzeichnet von erhöhten Risiko-aufschlägen, Verlust des Anlegervertrauens und geldpolitischen Notmaßnahmen.
Quellen: OECD, Metzler
Stand: 30.6.2025
Noch sind die Zinslasten tragbar: Großbritannien gibt etwa 7,0 Prozent der Staatseinnahmen für Zinszahlungen aus, Frankreich etwa 9,0 Prozent. Das liegt weit unter dem kritischen Wert von 15 Prozent, der laut der Analyse von Ray Dalio historisch oft den Übergang zu einer Schuldenkrise markierte.
Quellen: OECD, Metzler
Stand: 30.6.2025
Der wunde Punkt beider Länder aber ist das Primärdefizit. Für 2025 prognostiziert die OECD ein Minus von rund 3,0 Prozent des BIP in Großbritannien und 2,7 Prozent des BIP in Frankreich. Der Primärsaldo – also der Haushaltssaldo ohne Zinszahlungen – ist das zentrale Stellrad der Finanzpolitik. Historische Analysen zeigen, dass ein mehrjähriger Primärüberschuss die einzige verlässliche Methode ist, Schuldenpfade nachhaltig zu verbessern.
Quellen: OECD, Metzler
Stand: 30.6.2025
Die gute Nachricht: London und Paris haben den Ernst der Lage erkannt. Die britische Regierung hat bereits Steueranpassungen und eine Begrenzung der Staatsausgaben angekündigt. Geplant ist dabei kein harter Austeritätskurs, sondern ein moderater, stetiger Pfad der Haushaltskonsolidierung. Frankreich will das Haushaltsdefizit bis 2026 auf rund 4,7 Prozent des BIP senken und setzt dabei auf einen Mix aus Ausgabendeckelungen, Effizienzmaßnahmen und gezielten Steuererhöhungen für Topverdiener und Großunternehmen. Der neue Premier Lecornu will den Haushalt durchs Parlament bringen, obwohl seine Regierung keine Mehrheit hat – ein politisch riskanter Kurs, der Kompromisse erzwingen könnte. Gelingt die Umsetzung, stärkt das Frankreichs fiskalische Glaubwürdigkeit und könnte die Risikoaufschläge französischer Staatsanleihen senken, während ein Scheitern den Druck an den Anleihemärkten erhöhen würde. Erfahrungsgemäß reicht schon eine Perspektive für moderate aber stetige Sparmaßnahmen, um Turbulenzen an den Märkten zu verhindern.
Noch herrscht an den Märkten keine Panik. Bisher war nur eine Versteilerung der Zinsstrukturkurve zu beobachten, was oft ein klassisches Frühwarnsignal ist. Noch geben die Märkte der Politik also Zeit, ihre Hausaufgaben zu machen. Die Glaubwürdigkeit der Politik aber wird bereits getestet.