Der Bürge für die Bürgerschaft
DIE STIFTUNG 4/17 | Von Tobias Anslinger
Friedrich von Metzler ist Bankier, kein Banker. Wo der Unterschied liegt, können Menschen im persönlichen Gespräch mit ihm spüren. Die hauseigene Metzler-Stiftung hat er zwar gegründet, sich darin aber nie eine aktive Rolle zugemessen. Für den Citoyen von Metzler ist das nur selbstverständlich.
„Eigentlich hätten Sie dieses Gespräch ja mit meiner Frau führen müssen, aber die ist gerade verreist“, eröffnet Friedrich von Metzler, 74, das Gespräch in einem der wohl temperierten, noblen, aber so gar nicht protzigen Konferenzräume des Bankhauses an der Frankfurter Untermainanlage. Seine Frau Sylvia ist die Vorstandsvorsitzende der Metzler-Stiftung, er „nur“ der Gründer. Diese besondere Mischung aus Verantwortung und Zurückhaltung sollte dem Autor dieser Zeilen im Laufe des Gesprächs noch mehrere Male begegnen.
Es ist knapp 20 Jahre her, 1998, als Friedrich in Erinnerung an seinen Vater die Albert von Metzler-Stiftung ins Leben rief. 2005 fusionierte diese mit der Stiftung von Friedrichs Schwester Barbara, die 2003 verstarb und testamentarisch über die Gründung einer Stiftung unter ihrem Namen verfügte. Seither heißt die Stiftung Albert und Barbara von Metzler-Stiftung. „Die Stiftung soll gestalten und Ideen umsetzen. Sie ist aber auch dafür gedacht, andere anstiften zu können, bei einer guten Sache mitzumachen. Wir wollen Unterstützer und Nachahmer“, sagt von Metzler. „Denn so ist die Wirkung größer.“ Schon bei der Gründung ist klar, dass Bildung und Erziehung sowie Soziales die Schwerpunkte der Stiftungsarbeit ausmachen sollten – auch wenn die Stiftung heute längst ebenso Projekte in den Bereichen Kunst und Kultur fördert. „Es ist dann aber die Kunstpädagogik, die wir fördern, nicht der Ankauf eines Gemäldes für ein Museum“, erläutert Sigrun Stosius, Vorstandsmitglied der Stiftung. Sie assistiert im Gespräch mit den konkreten Zahlen und Fakten zu den Projekten. „Das Museum würden wir dann privat fördern“, wirft Friedrich von Metzler ein.
Modell „1+1=3“ führt zu Umdenken beim Fundraising
Metzler, dieser Name ist untrennbar mit der Stadt Frankfurt verbunden. Die zweitälteste Bank Deutschlands geht auf eine hier im Jahr 1674 von Benjamin Metzler gegründete Tuchhandlung zurück und ist seitdem durchgehend im Familienbesitz. „In Frankfurt mussten sich die Bürger immer um sich selbst und um die Stadt kümmern. Die Stadt hat einen besseren Ruf verdient. Dass sie den immer noch nicht hat, liegt vielleicht auch daran, dass ihre Bürger immer eher bescheiden und zurückhaltend waren“, sagt der Bankier und deutet damit schon an, was es im besten Sinne heißt, „bürgerlich“ zu sein: „Es steckt in den Genen eines Frankfurters, sich für die Stadt und für ihre Bürger einzusetzen.“ Dafür bürgt ihr Citoyen Friedrich von Metzler wie kein Zweiter.
Sich für die Stadt und die Menschen einzusetzen, heißt aber nicht nur fördern, sondern auch fordern. Metzlers Matching Fund Plus-Modell „1+1=3“, erstmals 1999/2000 für Museen praktiziert, hat bei einigen in der Stadt zu einem nachhaltigen Umdenken in puncto Spendensammeln geführt. „Wir sagen einen Spendenbetrag fest zu, und wenn mindestens die gleiche Summe nochmals vom Museum eingeworben wird, dann geben wir den ursprünglichen Betrag nochmals als Draufgabe“, erklärt von Metzler. Das Modell ist in Frankfurt ein Erfolg geworden. Mittlerweile ist es so etabliert, dass selbst die Mitarbeiter der Bank an die Stiftung herantreten, um es zu beantragen.
Eigentlich wollten wir uns an diesem heißen Julinachmittag bei einer Tasse Tee nur über die Metzler-Stiftung unterhalten. Aber für Friedrich von Metzler ist die Stiftung nicht von der Bank zu trennen. Mitten im Gespräch zieht er plötzlich ein Blatt Papier mit dem Modell der vier Geschäftsfelder des Geldhauses aus der Innentasche seines Sakkos, erklärt, warum sich die Bank auf diese Bereiche spezialisiere und warum. Die Erklärungen sind schlüssig und verständlich. Dann macht er deutlich, wie sich die Stiftung in das Metzler’sche Wirken einfügt: „Wir sind keine Mäzene, sondern Gestalter, und denken nicht ausschließlich altruistisch. Wenn bei unserem gesellschaftlichen Engagement auch der Name Metzler genannt wird, glauben wir, dass uns das sympathisch macht. Das hilft schlussendlich auch dem Geschäft.“ Und schießt noch einen Satz hinterher, der so anachronistisch anmutet, dass man ihn fast als Aufforderung an die skandalgebeutelten Großbanken dieser Welt verstehen muss: „Ein Bankhaus muss doch sympathisch sein!“
Über allen Aktivitäten steht der Name Metzler
300.000 bis 400.000 Euro schüttet die Stiftung jährlich für Projekte ihrer in der Satzung festgelegten Themenschwerpunkte aus. Erziehung, Bildung und Gesundheit und Soziales machen die größten Blöcke aus). Sie bündelt heute auch die Geldspenden, die direkt aus der Bank kommen. Und schließlich gibt auch die Familie Metzler privat immer wieder Geld für Gutes. „Über allem steht der Name Metzler, und das ist wichtig“, sagt Sigrun Stosius, deren Hauptaufgabe die Pressearbeit für das Bankhaus ist. So sorgt sie stets auch für die passende Darstellung der Projekte der Stiftung in der Öffentlichkeit. Auch Buchhaltung und Steuerangelegenheiten der Stiftung werden von Mitarbeitern der Bank miterledigt. Das führt zu einer kostengünstigen und effizienten Organisation.
Warum er sich bei Gründung der Stiftung – wie so viele andere Stifter auch – keine aktive Rolle in der Stiftung zugemessen hat, fragen wir ihn. „Schon in der Bank waren wir dadurch erfolgreich, Menschen in die Bank zu holen, die das können, was ich nicht kann. Wir müssen die Arbeit aufteilen. Eine Stiftung braucht ein professionelles Management, wenn sie gestalten will“, sagt er bescheiden. „Meine Frau Sylvia und Frau Stosius kümmern sich um die Stiftung, ich muss mich um die Bank kümmern.“ Sofort schlägt wieder das Bewusstsein durch, für das Schicksal eines über 300 Jahre alten Geldhauses mitverantwortlich zu sein.
Wenn Sigrun Stosius über einzelne Projekte referiert, wird deutlich: Die Stiftung braucht ihn natürlich – als Strippenzieher im Hintergrund, als „Einfädler“, als Anschieber. Wenn es um Überzeugungsarbeit für Projekte der Stiftung geht und er damit helfen kann, die Ziele eines Projektes zu erreichen, lädt er auch schon mal zum Kamingespräch mit Ministern. Ein erfolgreiches Projekt der jüngeren Vergangenheit ist „d.eu.tsch“, das arbeitslosen Berufseinsteigern aus Griechenland, Kroatien, Italien, Portugal und Spanien mit Studienabschlüssen in den MINT-Fächern und Medizinern die Möglichkeit eröffnet, einen viermonatigen Intensivsprachkurs in Deutschland sowie eine einmonatige Abschlussphase für Bewerbungen, Arbeitsstart und Wohnungssuche zu absolvieren. 82 Stipendiaten haben das Programm bislang durchlaufen, zwei Drittel fanden danach eine Anstellung in Deutschland, ein knappes Fünftel in ihren Heimat- oder in Drittländern. Sieben Prozent traten danach ein Praktikum an. Mitarbeiter der Bank arbeiten ehrenamtlich als Mentoren für die Stipendiaten.
Engagement auch in anderen Stiftungen der Stadt
Ehrensache ist es für den Bürger von Metzler, sich innerhalb Frankfurts mit viel Herzblut auch für andere Stiftungen zu engagieren, etwa für die Dr. Senckenbergische Stiftung, deren Stifter Dr. Johann Christian Senckenberg Mitte des 18. Jahrhunderts das Frankfurter Bürgertum prägte. Dass die Stiftung über die Jahrhunderte ihr Vermögen auch durch diverse Wirtschaftskrisen nicht verlor, führt Metzler auf ihre kluge Anlagestrategie zurück: einen hohen Aktienanteil. „Das Stiftungskapital wird sehr gut verwaltet – seit Jahrhunderten hier im Haus“, sagt er schmunzelnd. Wo auch sonst.