Patenschaftsprogramm d.eu.tsch von 2012–2018 – eine Bilanz
Wir schreiben das Jahr 2012: In südeuropäischen Ländern finden viele junge Menschen keine Arbeit, obwohl sie gut ausgebildet sind. In Deutschland hingegen mangelt es an Fachkräften. Da hat Friedrich von Metzler eine Idee: Beiden Seiten kann geholfen werden, wenn man diesen jungen Menschen den Berufseinstieg in Deutschland ermöglicht.
Auf der Grundlage dieser Idee wurde das Projekt „d.eu.tsch“ gegründet, und noch im selben Jahr kamen die ersten Stipendiaten nach Frankfurt. Seitdem haben sechs Jahre lang junge Absolventen der MINT-Fächer und der Medizin aus Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und Kroatien die Chance genutzt, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. „Ziel des d.eu.tsch-Stipendiums ist, den Stipendiaten die Möglichkeit zu geben, sich in Deutschland aus eigener Kraft etwas aufzubauen“, so Friedrich von Metzler. „Die Sprache ist dabei das Wichtigste – ohne gutes Deutsch gelingt keine wirkliche Integration.“ Das Stipendium umfasste einen viermonatigen Deutschkurs beim Kooperationspartner Goethe-Institut, zudem erhielten die Stipendiaten jede Menge Unterstützung: bei der Arbeitssuche, bei der Finanzierung ihres Lebensunterhalts, bei der Wohnungssuche und im Alltag.
„Falls es die Arbeitsmarktlage in ihrer Heimat in ein paar Jahren wieder zulässt, könnten die jungen Menschen beim wirtschaftlichen Wiederaufbau ihres Landes helfen“, ist Friedrich von Metzler überzeugt. „Ein solcher Wirkungskreis wäre wahrlich europäisch.“
Ziel des Deutschkurses beim Goetheinstitut war es, den Stipendiaten Sprachkenntnisse auf dem Sprach-Niveau C1 zu vermitteln. Auf diesem Niveau ist es möglich, sich im Beruf als auch privat gut auszudrücken und die Mitmenschen auch dann zu verstehen, wenn der Sachverhalt einmal schwieriger wird. Voraussetzung für ein Stipendium war daher, dass die Bewerber bereits gute Deutschkenntnisse auf dem Level B1 mitbrachten.
„Da ich mich nur mit deutschsprachigen Projekten befasse und mit Deutschen zusammenarbeiten soll, spreche ich nur auf Deutsch. Es ist ganz schwierig und anspruchsvoll, trotzdem bin ich immer besser und kommuniziere einfacher mit den Kollegen.“ Georgia Spathara, Bauingenieurin aus Griechenland, d.eu.tsch V
„Für mich ist die deutsche Sprache unabdingbar. Ich muss sie jeden Tag nutzen, sowohl beim Patientengespräch als auch beim Kollegengespräch.“ Joao Ventosa, Arzt aus Portugal, d.eu.tsch V
Der Sprachkurs des Goethe-Instituts bildete den Kern eines jeden Stipendiums. Vier Monate lang lernten die Stipendiaten bei Lehrerin Manuela Victor nicht nur eine neue Sprache, sondern auch die Kultur und die Traditionen Deutschlands kennen: „Wir hätten keine bessere Lehrerin finden können, als Sie, Frau Victor. Sie unterrichten nicht nur eine Sprache – Sie sind auch eine Lehrerin für das Leben!“, bemerkt Sigrun Stosius, Vorstand der Metzlerstiftung, in ihrer Rede zur Zertifikatübergabe von d.eu.tsch III.
„Ich beherrsche jetzt besser die deutsche Sprache. Das habe ich unserer Lehrerin zu verdanken. Manuela war immer dabei mit wertvollen Ratschlägen.“ Dimitra Androni, Mathematikerin aus Griechenland, d.eu.tsch III
Wichtige Partner des Stipendiums waren die Agentur für Arbeit in Frankfurt zusammen mit dem Welcomecenter Hessen – hier wurden die Stipendiaten umfassend betreut. Sie nahmen an Schulungen teil, um das Verfassen einer schriftlichen Bewerbung zu lernen. Außerdem erhielten sie Einzeltrainings für das Vorstellungsgespräch. Nicht zuletzt wies die Arbeitsagentur auf passende offene Stellen hin. Dies erhöhte die Aussicht der Stipendiaten auf einen Job, da der Bewerbungsprozess in Deutschland teilweise ganz anders verläuft als in den Heimatländern der Stipendiaten.
Der Erfolg spricht für sich: Fast alle Stipendiaten haben bisher eine Beschäftigung gefunden, entweder in Deutschland oder in ihrem Heimatland – oder in einem anderen europäischen Land.
„Elektroingenieure haben gute Chancen in Deutschland – doch ohne das Stipendium wäre es fast unmöglich gewesen, eine Stelle zu finden.“ Vasileios Bokogiannis, Elektro-/ Computeringenieur aus Griechenland, d.eu.tsch IV
„Direkt im Anschluss nach dem Sprachkurs konnte ich die Früchte meiner verbesserten Sprachkenntnisse bei einigen gut gelaufenen Vorstellungsgesprächen schmecken.“ Maximos Papadamos, Bauingenieur aus Griechenland, d.eu.tsch V
Auch mit einem erfolgreichen Deutschkurs waren die Teilnehmer nicht immer vor Missverständnissen gefeit – unterscheidet sich Deutschland doch in mancher Hinsicht sehr von der Heimat der Stipendiaten. Nicht nur an die Sprache, auch an das Essen, das Wetter und die Lebensweise mussten sich die Stipendiaten gewöhnen. Dennoch blieben viele von ihnen in Deutschland. Nicht zuletzt schaffte es d.eu.tsch so, die Idee eines lebendigen geeinten Europas umzusetzen. „Wir stehen hinter dem Gedanken der europaweiten Mobilität – kein Europäer soll sich in einem europäischen Land als Fremder fühlen“, meint auch Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts.
„Die Leute hier sind sehr nett, auch wenn sie zuerst distanziert wirken. Inzwischen treffe ich mich mit einigen Kollegen auch privat.“ Despina Panagiotopoulou, Mathematikerin aus Griechenland, d.eu.tsch II
„Neben einer neuen Sprache habe ich auch eine neue Kultur kennengelernt, die mein Verhalten einigermaßen geändert hat. Ich bin emphatischer und dankbarer als früher. Schritt für Schritt fühle ich, dass ich mich in Deutschland eingelebt habe, wobei ich es mir am Anfang nicht vorstellen konnte.“ Guillermo Revelles Rodriguez, Arzt aus Spanien, d.eu.tsch VI
„Ich habe mich als Europäer in Deutschland immer heimisch gefühlt – der einzige Unterschied zwischen meinen Kollegen und mir ist, dass wir verschiedene Mutter-sprachen haben. Dank des d.eu.tsch-Stipendiums habe ich eine neue Sprache gelernt und neue Möglichkeiten für mich innerhalb der EU genutzt.“ Jaume Torres, Wirtschaftsingenieur aus Spanien, d.eu.tsch I
Mitarbeiter des Bankhauses Metzler übernahmen ehrenamtlich die Patenschaft für einen Stipendiaten. Als Mentoren kümmerten sie sich auch außerhalb des offiziellen Programms um ihren „Schützling“: Sie halfen beim Schreiben der Bewerbungen oder bei der Wohnungssuche, hatten ein offenes Ohr für Probleme und Sorgen oder unternahmen gemeinsame Ausflüge. „Das d.eu.tsch-Stipendium ist ein Netzwerkprojekt – deshalb muss ich an dieser Stelle auch unsere Metzlerianer erwähnen, die sich als Paten für ihre Stipendiaten einsetzen“, lobt Friedrich von Metzler. „Ich bin sehr stolz und dankbar, dass unsere Mitarbeiter hier so engagiert mithelfen.“
„Für mich war die Unterstützung meiner Patin am wichtigsten. Sie war und ist bis heute immer für mich da, wenn ich sie brauche und nicht nur dann.“ Anastasia Dimaraki, Bauingenieurin aus Griechenland, d.eu.tsch III
„Ich freue mich sehr über meine Beziehung mit meinem Paten, die absolut tadellos ist. Das war auch das Beste, was ich von diesem Stipendium bekommen habe. Und zum Ende möchte ich zugeben, dass er immer hilfsbereit war und so viel geholfen hat, nicht nur mit Diskussionen über die Bewerbungsstrategie, sondern auch bei der Einleitung ins deutsche Leben.“ Isidoros Sapounas, Maschinenbauingenieur aus Griechenland, d.eu.tsch IV
Mit der Hilfe anderer Organisationen und Unternehmen haben das Bankhaus Metzler und das Goethe-Institut viel erreicht. Die Unterstützung sah dabei ganz unterschiedlich aus. Bei der Agentur für Arbeit und dem Welcomecenter Hessen konnten die Stipendiaten den Bewerbungsprozess üben; die KfW Bankengruppe bot seit 2015 ein zwölfmonatiges Berufseinsteigerprogramm an. Und der Frankfurter Verein beramí Berufliche Integration e.V. aus Frankfurt am Main organisierte das Mentoring-Programm mit den Paten. Andere Förderer waren unter anderem die Coca-Cola European Partners Deutschland GmbH, die Porsche Consulting GmbH und die Rudolf-August Oetker-Stiftung sowie einige Privatpersonen. Dafür danken wir allen sehr herzlich.
„Als deutsche und international aktive Förderbank bietet die KfW hochqualifizierten Akademikern aus Südeuropa die Chance, erste Berufserfahrungen in Deutschland zu sammeln. […] Das erhöht ihre Chance auf einen qualifizierten Arbeitsplatz in Deutschland beziehungsweise Europa signifikant.“ Dr. Sabine Mauderer, KfW, zu d.eu.tsch IV
„Die d.eu.tsch-Stipendien entfalten ihre Wirkung direkt und sind deshalb hoch effizient.“ Eberhard Weiblen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Porsche Consulting GmbH, zu d.eu.tsch II
„d.eu.tsch ist für alle Beteiligten ein Gewinn. Die Stipendiaten haben so keine Lücken in ihrem Lebenslauf, weil sie in ihrer Heimat zur Zeit keine geeignete Arbeit finden, und wir gewinnen tolle junge Fachkräfte, die dringend benötigt werden.“ Daniel Lips, Geschäftsführer der Arbeitsagentur Frankfurt, zu d.eu.tsch IV
„So viele strahlende Gesichter erlebt man nicht alle Tage. Es war ein gutes Gefühl, dafür gemeinsam etwas getan zu haben. d.eu.tsch ist eine großartige Aktivität.“ Dr. Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts, anlässlich der Zertifikatübergabe d.eu.tsch IV
Am Ende des Projekts lässt sich eine gute Bilanz ziehen: Über 90 % der Stipendiaten haben einen Job gefunden, die meisten von ihnen in Deutschland. Nach sechs Jahren mit insgesamt 97 jungen Akademikern wird „d.eu.tsch | Stipendium für junge Europäer“ nun eingestellt. Die Arbeitsmarktsituation in den Heimatländern der Stipendiaten hat sich seit Projektbeginn deutlich verbessert, so dass nicht mehr genügend geeignete Bewerber einen Berufsstart in Deutschland planen. Die Resonanz aller Beteiligten zeigt, dass das Stipendium für viele das Tor zu einem neuen Leben geöffnet hat und Europa ein Stück näher zusammengerückt ist.
„Die Schwierigkeiten, die ich bezüglich der Arbeitssuche in Griechenland hatte, haben mich gezwungen, nach einem Job in Deutschland zu suchen. Trotzdem wusste ich, dass es nicht so einfach gewesen wäre. Das Stipendium hat mir die Chance geboten, einen reibungsloseren Übergang zu einem neuen Land zu haben. Wie eine Pufferzeit, die mich mit der geeigneten Unterstützung und Orientierung von Metzler-Stiftung und Goethe-Institut ermöglicht hat, mein Ziel zu erreichen und an die neue Kultur und Gesellschaft anzupassen.“ Krystallo Grammenou, Geoinformatikerin aus Griechenland, d.eu.tsch VI
„Dass ich heutzutage eine Stelle und eine Wohnung in Deutschland habe, mit meinen Kollegen auf Deutsch scherze oder mich durch das Radio informiere ist ein Signal, dass mir 2018 viel gelang. Vor einem Jahr war es unvorstellbar, und es wäre vielleicht überhaupt nicht möglich gewesen, wenn das Programm „d.eu.tsch“ nicht existiert hätte.“ Francisco Marin Nieto, Architekt aus Griechenland. d.eu.tsch VI
„Das ist das Besondere am d.eu.tsch-Projekt: Das „Grundelement“ ist ein gemeinsames Europa, und ich vertraue immer noch auf diese Idee.“ Emiliana Di Geronimo, Ärztin aus Italien, d.eu.tsch V
Seit 2012: 97 Stipendiaten nutzten ihre Chance auf ein neues Leben und 90 % fanden eine Stelle
Der Erfolg des Projekts schlägt sich in der Statistik nieder: Über die Hälfte der Stipendiaten blieb in Deutschland (67 %) während 17 % in ihr Heimatland zurückkehrte. 6 % wanderte in ein Drittland aus und 3 % begann ein weiterführendes Studium. Nur 7 % fand keine Stelle.
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