Die Geldpolitik der EZB ist schon jetzt locker
EZB: Wo liegt der neutrale Zins?
Isabel Schnabel, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank und Bundesbankpräsident Joachim Nagel warnten zuletzt davor, die Leitzinsen zu stark zu senken. Implizit ist in dieser Aussage eine Annahme darüber, wo der neutrale Leitzins liegt und ab welchem Leitzinsniveau die Geldpolitik expansiv oder restriktiv wirkt. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Wirtschaft der Eurozone trotz eines Leitzinses von 4,0 Prozent bis Juni ein Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent, was nur geringfügig unter dem geschätzten Potenzialwachstum von 1,0 bis 1,2 Prozent lag. Die Geldpolitik war also nicht übermäßig restriktiv. Der neutrale Leitzins dürfte also höher liegen als die oft landläufig genannten 2,0 Prozent. Wie in meiner Publikation über den „Zins“1 beschrieben, ist eine Analyse des nominalen Wachstumstrends ein pragmatischer Weg, den neutralen Zins zu bestimmen.
Quellen: EZB, Eurostat, Metzler; Stand 15. 2.2025
In der Eurozone betrug im dritten Quartal das nominale Wirtschaftswachstum etwa 3,5 Prozent. In den kommenden Quartalen rechnen wir mit einer Verlangsamung auf 3,0 Prozent. Das heißt der neutrale Leitzins könnte bei etwa 3,0 Prozent liegen und die EZB wäre mit einem Leitzins von aktuell 2,75 Prozent schon expansiv. Vor diesem Hintergrund teilen wir die Einschätzungen von Frau Schnabel und Herrn Nagel. Trotzdem rechnen wir mit einer Leitzinssenkung von 25 Basispunkten auf 2,5 Prozent am Donnerstag, da die Konjunkturdaten wie die Einkaufsmanagerindizes (Montag und Mittwoch) zuletzt eher schwach waren. Erfreulich entwickelte sich bisher aber der Arbeitsmarkt (Dienstag) in der Eurozone – vor allem aufgrund des robusten Wachstums vieler südeuropäischer Länder. Die rekordniedrige Arbeitslosenquote ist ein weiteres Argument gegen zu starke Leitzinssenkungen in diesem Jahr. Wir rechnen daher nur noch mit einer Senkung des Einlagesatzes im April auf 2,25 Prozent. Zumal die Inflation (Montag) im Februar wieder auf 2,3 gefallen sein und damit im Rahmen des Inflationsziels liegen dürfte. In den kommenden Monaten dürfte sich der Trend einer fallenden Inflation auf unter 2,0 Prozent etablieren. Wir sehen aber keinen Rückgang der Inflation auf 1,5 Prozent oder darunter.
Das Bild würde sich aber komplett ändern, sollte US-Präsident Donald Trump tatsächlich Strafzölle auf alle Importe aus der EU verhängen. Die europäischen Währungen dürften dann zwar gegenüber dem US-Dollar fallen, den Wettbewerbsverlust dadurch aber nur begrenzt kompensieren können. Es würde somit ein negativer Wachstumsschock für die europäische Wirtschaft drohen und die EZB würde den Leitzins in diesem Szenario wahrscheinlich auf 1,0 Prozent senken. Derzeit antizipieren wir jedoch eine konstruktive Verhandlungslösung.
Implikationen der Bundestagswahl
Die neue Regierung steht vor einigen zentralen Herausforderungen, dazu gehören:
- eine kontrollierte Einwanderungspolitik, die den Zustrom unqualifizierter Migranten begrenzt und zugleich dringend benötigte Fachkräfte anzieht.
- die Stärkung der deutschen Verteidigungsfähigkeit angesichts der russischen Bedrohung – mit höheren Militärausgaben und konsequenter Unterstützung für die Ukraine.
- einen wirtschaftlichen Befreiungsschlag nach Jahren der Stagnation zu erwirken, inspiriert von der Agenda 2010, um Deutschland davor zu bewahren, erneut zum "kranken Mann Europas" zu werden.
Friedrich Merz diskutiert überraschend offen eine Aufweichung der Schuldenbremse, um 200 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr bereitzustellen – eine Maßnahme, die er mit SPD und Grünen noch im alten Bundestag durchsetzen will. Die entscheidende Frage bleibt jedoch, ob er die Sozialdemokraten für eine große Reformagenda gewinnen kann. Wird es zum „großen Kompromiss“ kommen – niedrigere Unternehmenssteuern, weniger Bürokratie und eine pragmatische Migrationspolitik im Austausch gegen höhere Mindestlöhne und mehr fiskalische Flexibilität?
Gelingt es Friedrich Merz, diese Brücke zu bauen, könnte er Deutschland wieder auf Kurs bringen. Scheitert er, besteht die Gefahr, dass bei der nächsten Wahl extreme Parteien das Ruder übernehmen.
Der Dollar als Achillesferse des US-Protektionismus
Die protektionistische Wende der USA unter Donald Trump markiert das Ende der einst offenen, handelsfreundlichen Weltordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Washington geprägt wurde. Zentral für Trumps Wirtschaftspolitik ist die Bekämpfung der chronischen Handelsdefizite der USA, die er als Hauptursache des Niedergangs der amerikanischen Industrie betrachtet. Dabei verkennt er jedoch die zentrale Rolle des starken Dollars, der durch die Liberalisierung der Kapitalströme seit den 1980er Jahren künstlich hochgehalten wurde und die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft untergrub.
Während Trump massive Zollerhöhungen als Heilmittel für die US-Industrie anpreist, bleibt der entscheidende Faktor – der überbewertete Dollar – weitgehend unangetastet. Selbst drastische Importzölle könnten im Sande verlaufen, sollte die US-Währung weiter aufwerten, wodurch die Exporte verteuert und Importe trotz Zöllen konkurrenzfähig blieben. Ohne eine gezielte Währungsabwertung droht der protektionistische Kurs nicht nur zu verpuffen, sondern die Handelsdefizite noch zu verschärfen, wie Grafik 2 zeigt. So ist in den kommenden Quartalen mit einer erheblichen Verschlechterung des Handelsbilanzdefizits (Donnerstag) sowie des Leistungsbilanzdefizits zu rechnen.
Quellen: J. P. Morgan, OECD, Metzler; Stand 15.2.2025
Letztlich könnte der Versuch, das Handelsdefizit durch Zölle statt durch Währungsanpassungen zu korrigieren, die US-Industrie weiter schwächen und zu einer globalen wirtschaftlichen Destabilisierung führen. Der Rückzug Amerikas aus der Freihandelsordnung ist damit nicht nur ein ökonomisches Risiko, sondern könnte auch geopolitische Verschiebungen beschleunigen.
Der starke US-Dollar dürfte auch dazu beitragen, dass die Zahl der Beschäftigten (Freitag) in den USA im Verarbeitenden Gewerbe anhaltend fallen dürfte. Schon im Januar 2025 waren es mit etwa 12,76 Millionen Beschäftigten etwa 100.000 weniger als im Januar 2024. Die Verschlechterung des Handelsbilanzdefizits und die sinkende Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe dürften US-Präsident Donald Trump nicht gefallen. Die Frage ist, wie reagiert er darauf? Eigentlich müsste er den US-Dollar-Wechselkurs schwächen, er könnte aber auch den Zollkonflikt verschärfen.
Darüber hinaus sprechen die Frühindikatoren für eine stabile Arbeitslosenquote. Gleichzeitig dürfte sich jedoch das Beschäftigungswachstum aufgrund der verschärften Einwanderungspolitik verlangsamen.
1 https://www.metzler.com/de/metzler/news/Metzler/MAM/markt-aktuell/2024-markt-spezial-zinsen
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